PERSONAL STRUGGLES 2/75 von Schwarwel

Für unser drittes Buch „#nichtgesellschaftsfähig – Musik, Psyche, Identität und Gesellschaft“ baten wir unsere Autor:innen und Interviewpartner:innen, uns zu ihren jeweiligen Beiträgen gerne noch eine kleine „Soundtrack of my Life“-Liste zum Abdruck mitzuschicken, da wir es immer interessant finden, welche Musik, welche Texte und welche Töne Menschen prägt. Manche schrieben ein paar persönliche Worte oder auch längere Absätze zu den einzelnen Liedern, manche gaben uns nur eine knappe Liste mit dem Namen des Liedes und den Interpreten – was auch völlig cool ist, eben Platz für Interpretationen.
Als es schließlich darum ging, unser Buch rund zu bekommen, suchten wir noch nach einer Klammer, die unsere Inhalte zusammenhalten würde, damit uns so eine vielfältige, in alle Richtung sprühende Publikation nicht um die Ohren fliegt. Als Eingang hatten wir bereits unser Geleitwort und den (sehr geilen) Text von Michael Kraske, aber hinten fehlte noch etwas. Ein Abschluss, der uns selbst mit einbrachte, damit klar war, wir sind nicht nur Zaungäste, Voyeure oder Beobachtende, sondern selbst Teil der Handlung. Also stellte ich meine eigene „Soundtrack of my Life“-Liste zusammen.
Etwa 125 Songs hatte ich in der engeren Auswahl und während des Schreibens – jeweils einen Text pro Tag, bevor ich ins Studio ging – kürzten wir unter großen Schmerzen alles zu 75 Songs zusammen, da ich auch nicht zu viel Raum unseres Buches beanspruchen wollte.
Die Reihenfolge der Musikstücke ist halbwegs chronologisch angeordnet und in keinster Weise wertend. All Killer, no Filler! Nur wenige Beiträge hatte ich „außer der Reihe” geschrieben und dann in die stetig wachsende Textdatei eingefügt, bis ich nach 75 Tagen den Hammer fallen lassen konnte.
Hier also die ursprüngliche Liste in unveränderter Form, mal sehr kurz, mal etwas länger – nur der Großteil der Illustrationen ist neu –, denn dafür war dann doch kein Platz mehr im Buch!
– schw
PERSONAL STRUGGLES – THIS IS THE SOUNDTRACK OF MY LIFE
The Shangri-Las – „Leader Of The Pack“
Bin mir ziemlich sicher, dass ich diesen Song die ersten vielen Male bei meinem fünf Jahre älteren Onkel hörte, als er anfing, sich für Mopeds zu interessieren. Also war er wahrscheinlich 15 und ich war zehn. Ich schlief bei ihm in seinem Zimmer, meine Schwester links nebenan im Zimmer seiner Zwillingsschwester. „My folks were always putting him down (down, down)“. Es muss die zweite Generation von Musikkassettenrekordern gewesen sein, ein Sonett, auf dem die Mixtapes meines Onkels zum Einschlafen liefen, während von rechts aus dem Wohnzimmer „Petroleum-Miezen“ mit Brigitte Bardot und Claudia Cardinale aus dem Westfernsehen durch die zugebaute Durchgangstür böllerte. „They said he came from the wrong side of town“. Auf der Wohnzimmerseite stand Lenins Gesamtausgabe (40 Bände, Dietz Verlag) in einem selbstgebauten Türregal. Unberührt. Ungelesen. „They told me he was bad / But I knew he was sad / That’s why I fell for / The leader of the pack!“ – Vroom-Vrooom!
Dieser Text wurde erstveröffentlicht im Buch „nichtgesellschaftsfähig – Musik, Psyche, Identität und Gesellschaft“.