ENDLICHKEITSKULTUR – Die Arbeit der FUNUS Stiftung
Interview mit Frank Pasic
von Sandra Strauß

im Rahmen von #sds19 von Schwarwel
Tod und Kultur – Endlichkeitskultur
Sandra: Du hast den Begriff Endlichkeitskultur geschaffen/geprägt. Was genau verbirgt sich dahinter?
Frank: Wenn ich ehrlich bin, stammt der Begriff nicht von mir, sondern von meinem lieben Freund Tade Spranger. Als wir damals zusammensaßen, um über ein Magazin über den Tod nachzudenken, sagte er für mich aus heiterem Himmel: Der Titel lautet „drunter+drüber – Das Magazin für Endlichkeitskultur“.
Ich finde, der Begriff sagt so viel Wichtiges aus: Die wahrhaftigste aller Tatsachen ist, dass unser Leben endlich ist. Das müssen/sollten wir akzeptieren und uns damit auseinandersetzen – also eine Kultur schaffen. Das bedeutet nicht, dass man depressiv werden soll ob der Tatsache, dass man sterben wird. Vielmehr soll man das Leben mit all seinen Facetten genießen.

Sandra: Wie gehören für dich Tod, Verlust, Trauer, Leben und Kultur zusammen?
Frank: Ich glaube, die Menschheit hatte zeitlebens das Bedürfnis, sich mit dem Tod und den Folgen für die Zurückgebliebenen zu beschäftigen. Und das geht nun mal am besten auf künstlerischem Weg. Wie viele Bilder oder Lieder gibt es, die sich mit dem Thema beschäftigen? Unzählige. Daher meine ich, dass es immer schon eine Endlichkeitskultur gegeben hat.
FUNUS Stiftung
Sandra: Was war deine ursprüngliche Intuition, die FUNUS Stiftung ins Leben zu rufen? Und wie hat sich das alles in den letzten Jahren entwickelt?
Frank: Ich bin seit 2004 Geschäftsführer eines Krematoriums. Wenn man so will, verdiene ich mein Geld mit dem Tod. Aber ich habe schnell gemerkt, dass der Tod nicht nur Geschäft sein kann. Ich hatte das Bedürfnis, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, deshalb haben wir die FUNUS Stiftung gegründet. Wir haben ganz klein angefangen mit einem Mindestvermögen von 50.000 EUR; darunter hätten wir gar keine Stiftung gründen können. Mittlerweile können wir es uns leisten, neue Formate zu entwickeln, die den Umgang mit dem Thema Tod, Sterben, Trauer erleichtern sollen.
Mittlerweile ist es uns auch gelungen, ein Netzwerk an Partnern zu entwickeln, die uns helfen, immer neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Dieses Netzwerk auszubauen, ist mein Ziel für die nächsten Jahre.

Sandra: Was ist euer Stiftungszweck, welche eigenen Projekte realisiert ihr? Und welche Projekte unterstützt ihr?
Frank: Unser Stiftungszweck ist laut Satzung, die von verschiedenen Behörden genehmigt wurde, der Erhalt und die Förderung der Bestattungskultur in Deutschland. Wir interpretieren diesen Zweck aber schon sehr weit.
Unsere eigenen Projekte sind bisher die „drunter+drüber“ – unser Magazin für Endlichkeitskultur, der „DeathSlam“ und unser alljährliches Symposium. Unter dem Label „Stadt der Sterblichen“ haben wir bisher in Halle und in Leipzig jeweils ein Kulturfestival veranstaltet, mit vielen Kulturveranstaltungen, Lesungen, Ausstellungen und Foren zum Thema Tod.
Da wir keine Förderstiftung sind, können wir externe Projekte nur mit Bedacht unterstützen – nur dann, wenn wir von einem Projekt wirklich zu 100% überzeugt sind. Aktuell ist das z. B. die Ausstellung „Suizid – Let‘s talk about it!“ im Museum für Sepulkralkultur in Kassel.


Sandra: Magst du uns ein paar Highlights/Events/Projekte nennen, an die du dich besonders gern erinnerst?
Frank: Aufgrund Ihrer Reichweite, aber auch aufgrund Ihrer Intensität, waren die Festivals „Stadt der Sterblichen“ schon besonders.
DRUNTER+DRÜBER – Das Magazin für Endlichkeitskultur
Sandra: Die drunter+drüber ist eines deiner Herzensprojekte. Was genau erwartet die geneigten Leser:innen bei eurem Magazin für Endlichkeitskultur?
Frank: In jedem Heft geht es um den Tod, jedes Heft hat ein anderes Schwerpunkthema. Das kann ein sehr emotionales Thema sein – wie etwa in der Ausgabe „Kinder“ –, es kann sich aber auch um „schwere“ politische bzw. wissenschaftliche Themen handeln wie z. B. in der Ausgabe „Hirntod“. Jedes Heft soll aber eine niedrige Schwelle bieten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Sandra: Was ist euer Impuls, genau diese Inhalte in die Welt zu bringen? Warum braucht man die drunter+drüber in unserer Gesellschaft?
Frank: Weil es das vorher einfach nicht gegeben hat: ein Magazin über den Tod. Wenn es zu allen Bereichen der menschlichen Existenz mittlerweile ein Magazin gibt – man denke nur an die unzähligen Food-Magazine –, ist ein Magazin über den Tod – immerhin ein Thema, das alle Menschen betrifft – mehr als gerechtfertigt. Und klar, wir wollten ein Tabu brechen.

Sandra: Wenn du jetzt die gesamten, bisherigen 13 Ausgaben in deinen Händen hältst, welche Gedanken und Gefühle gehen bei dir damit einher?
Frank: Ich bin schon ein bisschen stolz. Ich bin mehr als einmal davon ausgegangen, dass die nächste Ausgabe die letzte sein wird. Aber es haben sich immer wieder Themen gefunden, die wir für wichtig erachtet haben.
Die nächsten zwei bis vier Ausgaben sind auf jeden Fall gesichert – das habe ich übrigens nach der vierten Ausgabe nicht gedacht.
Sandra: Warum habt ihr euch für die ersten 13 Ausgaben für genau diese einzelnen Themen bzw. Headlines entschieden?
Frank: Da verfolgen wir keinen langfristigen Plan. Die „Hirntod“-Ausgabe kam damals zu einer Zeit heraus, als das Thema sehr heiß diskutiert wurde. Die „Krieg“-Ausgabe war meine persönliche Herzensangelegenheit, da der Krieg – speziell der Krieg in Bosnien – mich persönlich betrifft. Wir sind immer offen und oft überrascht, wie ergiebig eine Idee zu einem bestimmten Thema sein kann.
Sandra: Was sind deine eigenen drunter+drüber-Highlights?
Frank: Bei den Sachthemen möchte ich keins hervorheben, dafür sind zu viele hervorragende Beiträge dabei gewesen.
Ich freue mich immer über lustig-geistreiche Cartoons und Geschichten, Gedichte oder Märchen von Christian von Aster.
Dieses Interview wurde erstveröffentlicht im Buch „#nichtgesellschaftsfähig – Tod, Verlust, Trauer und das Leben”.